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Die Bundesversammlung

Es hat fast was vom Jahr 2000 und als sie George W. Bush zum Bundespräsidenten gewählt haben. Nur dass George W. Bush kein Bundespräsident und auch kein Ministerpräsident war, sondern schlicht und ergreifend ein Mr. President. Christian Wulff also, den man mal, da war ich noch jünger als heute, einen jungen Wilden nannte. Ich wusste damals schon nicht warum. Jung war er wohl, okay, aber wild? Naja, Rehe sind ja auch Wild. So wie Wildschweine.

 

Die Junge Union wurde bei uns immer Schulsprecher. Zuvor führten wir einen Grabenkrampf mit allen Mitteln. Trotzkisten, Stamokaps und Funkommunisten (Nicht zu verwechseln mit Funk Ommunisten) auf der einen Seite und JuLis sowie die künftigen Abi-Aufkleber-Herumfahrer von der Jungen Union auf der anderen. Natürlich hatten die Konservativen meist bessere Argumente, waren allgemein toleranter und interessierten sich für unsere Haltung, während wir Linken tollen Bolschewikipippis nur ohrenbetäubenden Hirnriss verzapften und von einer Welt voller Räte, Anarchie und/oder Kibbuzherrlichkeit träumten. Natürlich waren alle anderen (Lehrer, Busfahrer, Rentner, Eltern, Disco, Popper, Kassierinnen) Nazis (Faschisten, Rassisten, Pisser, Arschlöcher, Bonzen). Wir studierten Soziologie, Politikwissenschaften, Amerikanistik, Kunst und Komparatistik, um 15 Jahre später als Seiteneinsteiger in alle möglichen Berufe einzusteigen, während die Konservativen schon wenige Jahre später in ihren Berufen soviel Geld verdienten, um sich die besseren Wohnungen, die undramaterischen Autos mit vielen Jahren TÜV-Tauglichkeit und die köstlicheren Getränke in den besser klimatisierten Clubs leisten zu können. Und natürlich haben wir dann gesagt, das sei ja alles nichts. Im Wald und auf der Wiese zum Beispiel, wäre es viel kommoder und überhaupt der ganze Protz. Nicht mit uns.

 

Und genau diese Menschen (ich meine damit nicht Merkel und die Konsorten mit Ostvergangenheit, die haben eine andere Vita und die mussten andere Kämpfe führen) haben gestern diesen Popanz um Christian Wulff aufgeführt. Dieses Schönreden, Rumgemache, dieses falsche Lachen am Ende auf allen Bänken in allen Reihen, diese minutenlangen stehenden Ovationen. Diese Jubelarien nach dem zähen 3. Wahlgang, die alles andere als angemessen waren, erinnerten mich an diese alten Zeiten in den Schülerversammlungen mit all den Lehrertaschenträgern und Superschleimern, die mit Ihrer ungeheuerer Selbstverständlichkeit uns Selbstverständlichkeit zu demonstrieren, mir seit ungefähr 30 Jahren die Galle wundscheuern. Das war es, was mich gestört hat. Christian Wulff ist zunächst einmal ein etwas sehr uncharismatischer, aber bemühter Mann, der abgesehen davon, dass er in der falschen Partei ist, sich in fast nichts von Joachim Gauck unterscheidet, abgesehen davon, dass der in gar keiner Partei ist, aber sehr wohl viel mehr schwarz/gelbe Positionen vertritt, als uns verrückten, schlauen und Bescheid wissenden Internetfutzies dies lieb sein dürfte. Aber der hat Charisma und sieht irgendwie genauso aus, wie ich mir einen Bundespräsidentenonkel vorstelle und wenn er schon für nichts außer Weihnachtsansprachen und Ruckreden gut ist, dann soll er wenigstens gut rüberkommen. Ich glaube, deshalb habe ich mich im Vorfeld so aufgeregt und war sogar mit den Spinnern von der Springerpresse mal einer Meinung. Jetzt ist aber gut. Am Samstag gewinnen »wir« gegen Argentinien und am Montag tritt Guido Westerwelle zurück und zwar ganz, ganz weit nach ganz, ganz hinten. Und dann, ach dann, soll der Bundespräsident Wulff einfach machen was er will, ansonsten gilt, was @n303 sagt.

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iTunes

Irgendjemand, ich glaube es war der kleine Schlozz Emil Bienenschlau, hat mal im Rahmen einer feucht/fröhlichen Poardey ein Lied mit der Textzeile "Heut saufen wir, heut saufen wir, den ganzen Abend Schnaps und Bier…" von iTunes mit meinem Account auf meinen Rechner gedingst. Was ich damit sagen will… (HEULKRAMPF)

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Die Fußball-WM 2010 im Huckbook / Tag 19

Paraguay vs. Japan. Naja.

Die Paraguayer und die Japaner lieferten sich jedenfalls so anfangs ein hitziges Duell, wollten Tore, beide, wussten aber nicht so recht weiter. Ein paar Fernschüsse der Japaner und eine Gelegenheit von Lucas Barrios, die er aber genauso ungenutzt verstreichen ließ, wie das die Japaner tatenpopaten. Eine politische Brisanz, konnte ich bei der Begenung auch nicht entdecken. Es ist so ein bißchen wie in der Vorrunde einer Fußball-WM. Ein Spiel, das so nachmittags vor sich hin plätschert, während das Gros der potentiellen Zuschauer noch im Büro sitzt oder im Bergwerk schufftet… nee, schuften mit zwei tt sieht komisch aus… also: schuftet. Vielleicht gibts ja ein Elfmeterschießen. Aber für wen soll ich denn da um Himmelswillen sein. Beide Länder sind in den letzten Jahren nicht besonders verhaltensauffällig geworden. Gut, die Japaner haben im Massakerbereich während des sogen. 2. Weltkriegs unangenehm viele Punkte gesammelt und sind auch bis heute im Walfangbereich eher schwierig unterwegs. Ich frage mich allerdings, warum Wale so eine starke Lobby weltweit haben. Weil sie so groß sind? Weil sie so schön (…) singen können? Weil sie so schön sind? Ich bitte Euch liebe Gutsmenschen. Und was ist mit den Schwert- und den Thunfischen? Hat man die Narwale eigentlich schon komplett ausgerottet, um sie sich als Einhorn der Meere über den Schreibtisch zu hängen? Aber das hat ja jetzt nichts mit Fußball zu tun. Die Paraguaynananayer haben Fernando Lugo und sind damit klar im Vorteil, weil er es sich zum Ziel gemacht hat, dass es in Paraguay jemals nochmal was anderes zum Abendessen geben soll, als Rumpsteak. Das finde ich persönlich echt stark, weshalb ich mich jetzt nicht entscheiden kann. Immerhin haben die Japaner im Gegenzug den japanischen Garten und mein Auto erfunden. Außerdem haben sie so gut wie alles erfunden, was gut aussieht und nicht schon von den Italienern erfunden wurde. Ich bin unentschieden und nun geht es in die Verlängerung und ich werde den Ausgang des Spiels verpassen, weil ich die Frau vom Bahnhof abhole. Die Frau ist mir tatsächlich noch wichtiger als die Fußball WM. Das wird man sich auch für die Zukunft hinter die Ohren schreiben müssen. Alles hat seine Grenzen.

Spanien gegen Portugal. Ach ja.

 

Naja. Erst war ich für Portugal. Ich war mal in Aljezur und so an der Algarve. Bin ich hingetrampt mit Null Öcken in der Tasche, wegen der Liebe. Fand ich gut. Portugal meine ich. Die Liebe auch. Aber dann fiel mir ein, dass ich viel öfter in Spanien war und mir fiel Christiano Ronaldo ein. Also war ich für Spanien. Obwohl ich das Spiel der Spanier so langweilig finde wie ein 92.000-teiliges Puzzle mit dem Motiv einer Blauer-Himmel-Situation. Toll, wenn man es löst, aber irgendwie nicht anzusehen. Also war’s mir eigentlich egal. Irgendwie haben die Spanier dann gewonnen und Oliver Kahn war total aus dem Häuschen. Er konnte es gar nicht fassen, wie gut die Spanier waren. Ich frug mich indes wie es wohl jetzt im Kopf von Christiano Ronaldo aussah. Wahrscheinlich wie im Puff von Batzelona und was mit V8 Motoren und viel Chrom und Goldkettchen, sowie Glibber mit Sternchen drin. Also ganz anders als sein Spiel. Nur @Placetogo tat mir anschließend leid, es läuft grad nicht so bei der WM.

 

(Foto vom Foto von glintle / flickr.com)

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Euer Luftkissenfahrzeug ist voller Dampfmaschinen

Ich hab das grad auf Twitter gelesen. Ein Link zu einem Blogger der sich anhand dieser Schwarzrotgoldener Vereinstracht da draußen das 4. Reich an den Haaren herbei zieht. Wie so oft. Wie es wimmelt in diesen Blogs, die fast keinen Unterschied machen zu den rechten, intoleranten Schwachköpfen.

Mir explodiert die Galle. Diese mit „deutschnationalen Farben“ geschmückten Fußball-WM-Fans, die ja noch nicht mal Fußballfans sind, dieses Gros an Volk und Bevölkerung, dass sich da draußen auf den Straßen tummelt, mal nüchtern, mal betrunken, das ist nicht die Speerspitze einer nationalen Bewegung, das sind kleine Schnepfen, Buben mit Flusen im Kopf, aalige Banker, skaterende Dreadlockjünglinge, heulende Jammerlappen, Bodybuilder, Abiaufkleber-auf-dem-Auto-Herumfahrer, dicke Mamas, blonde Jünglinge, türkische Maulaufreißer, Hauptschüler, Soziologie-Studenten, Rechte, Linke, Deppen und Freunde von mir. Das ist kein Auswuchs nationaler Überstürzung. Am Ende fallen die Fähnchen von den Autos ab und liegen im Dreck, am Ende kommt man sich wieder albern vor und wirft die nationale Beflaggung in den Mülleimer, achtlos und ohne den, auch mir unbekannten, Respekt vor solcherlei Symbolik. Es sind die Vereinsfarben, sind die Zugehörigkeitssymbole, mittels derer man sich verständigt. Ob sich da jetzt auch Rechte tummeln um ihre Ideologie zu forwarden… kann sein. Doch wozu soll das gut sein? In dieser Masse an schwarzrotgoldener Tummeligkeit die rechten Kameraden auszumachen fällt wohl eher schwer. Wer rekrutieren will, wird wohl bis nach der WM oder bis zum Ausscheiden der deutschne Mannschaft aus dem Wettbewerb warten müssen.

Wer wirklich etwas gegen nationalistische und rassistische Auswüchse unternehmen will, wer wirklich die Lanze in die Hand nehmen will, Jungs, und hier meine ich nicht die eigene, der und die soll das tun. Es gibt Möglichkeiten, Handlungsstränge, Ideen, Gruppen, Gegner, Vereinigungen, Antifaschistische Mobilmachungen. Blöde Verseierungen, Verwässerungen und Simplifizierungen von, möglicherweise auch nicht in meinem Style agierenden Leuten, die sich über den (Achtung!) „Sieg“ ihrer Mannschaft freuen sind kein Bild und kein Beispiel für irgendeine Bewegung nationaler Natur. Diese Bewegungen indes passieren jeden Tag im Untergrund, im Westen, im Osten und in Momenten, da würden diese Seichtsanftsenfkritiker verblüfft und heulend gegen den nächsten Laternenmast laufen. Ich kann es nicht mehr hören. Eine Deutschlandfahne in mein Avatarbldchen auf Twitter einzubauen käme für mich nicht in Frage, so sehr habe ich es mit diesen Bezüglichkeiten nicht, auch weht in meinem nicht vorhandenen Garten keine Flagge, gleichwelchen Landes, ich möchte dem Aussenspiegel meines Kraftfahrzeugs auch keine kondomähnliche Errungenschaft in Deutschlandfarben überstülpen und beim Abspielen der Nationalhymnen gehe ich noch mal schnell auf Klo. Wer sich derlei behängen möchte, der soll das tun. Diese Symbole verlieren dadurch eher an Bedeutung.

Ich mag dieses Land, die Sprache, die komischen Leute mal und mal wünsche ich mich in Gegenden der Welt, wo mir diese Spießigkeit, diese Kleinkariertheit, dieses nasegerümpfte Suchen nach Fehlern der anderen, am Arsch vorbei segeln. Die Welt ist meine Auster. Haltet endlich die Luft an, gleich welcher Elite Ihr Euch angehörig fühlt.

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Die Fußball-WM 2010 im Huckbook / Tag 18

Ein guter Grund, ein paar übrig gebliebene Jubelarien in die Holländer zu investieren ist Arjen Robben. Was für ein sympathischer Knuddel. Das klingt jetzt natürlich so, als hätte ich überhaupt keine Ahnung vom Fußball, aber es würde ja geradezu narkoleptisch anmuten, wenn ich hier nochmal das Spiel runterrasseln würde. Das macht doch schon Fred und der kann es als einziger auf der ganzen Welt wirklich gut. Ich habe aufgehört über Fußball zu erzählen, als ich Frédéric Valin kennenlernte. Da habe ich nach ca. 90 Minuten begriffen, dass ich keine Ahnung habe. Nur so Tabellenwissen und 100 Jahre 11 Freunde-Magazin, sowie diverse tolle und furchtbare Spiele in diversen Stadien in diversen Ländern. Aber was hilfts. Bringt ja nichts.

Warum ich diese Leidenschaft für diesen Sport habe, erklärt in etwa der Film „The Final Kick“ von Andi Rogenhagen. Dort sieht man Menschen aus 40 Ländern, wie sie dem WM-Finale Brasilien vs. Italien am 17. Juli um 12:30 Uhr Ortszeit in Los Angeles zuschauen. Der Film zeigt Schlüsselszenen aus dem Spiel und dann wie die Zuschauer etwa in einem Dominikanerkloster in Tschechien oder vor einer Großleinwand am Pekinger Hauptbahnhof, im Harem des berühmtesten Volkssängers aus Kamerun, auf dem Fischmarkt in Seoul, in einem Gefängnis in Minsk und an vielen weiteren Orten, reagieren. Man begreift so ein bisschen, was Fußball für eine Bedeutung hat und dass sich Menschen, die dafür kein Verständnis haben, zu Recht wie Außerirdische fühlen. In allen Teilen der Welt stecken sich die Menschen auf die gleiche Weise die Faust in den Rachen oder schlagen sich die Oberschenkel vor Aufregung grün und lila. Fast alle Menschen bevorzugen als Begleiterscheinung die Alkoholisation in den verschiedensten Facetten, Vernunftsstufen und Ausuferungen und wenn der Ball beim Elfmeter über das Tor geht, ertönt aus allen Mündchen das gleiche stöhnende Röhren. Weltweit. Das ist Fußball. Nicht nur die gute Kombination und das Ballgefühl und, dass die Brasilianer am Ende immer weinend und betend oder weinend und pantomimisch Kinder wiegend an der Seitenlinie stehen und ihre Tore bejubeln. Was ich ja überhaupt nicht ertragen kann. Die bemüht pseudogottesfürchtigen Showkatholiken mit ihren Ritualen. Ja leck mich doch. Das würde Arjen Robben niemals tun. Er jubelt mit Herz und ehrlich und ein bisschen demütig vor der großen Realität. Ich wünsche mir, dass die Holländer die Brasilianer am Freitag nach Hause schicken. Wie auch immer. Fair muss es sein, kein Wembley-Tor, kein nicht erkanntes Abseits, kein blödes, hinterlistiges Foul. So richtig mit, was weiß ich, womöglich Elfmeterschießen, von mir aus auch mit Hornberger Schießen, egal, Hauptsache am Freitagabend fliegt ein Flugzeug mit 22 brasilianischen Spielern nach Rio de Janeiro oder wo auch immer sie gerne hin möchten. Ich bin da ja kulant.

Meine zerrige Aversion gegen die Brasilianer und die Italiener (aber nur im Fußball und in den großen Gesten) rührt vor allem aus meiner ewigen Leidenschaft für Underdogs. Die großen SuV-Fahrer, die gehobelten, schmierigen Langweiler mit ihren Ritzen an der richtigen Stelle und dem Unvermögen in Sachen Lieblichkeit sind mir ein Graus. Sie pflanzen sich fort, sie haben korrekt geführte Bankkonten mit Mehrwert im Habenbereich, sie regieren uns, sind aber weinerlich und zu nichts zu gebrauchen. Aber was hat all das mit Brasilien zu tun? Ach, nichts, ich muss mich nur mal aufregen. Jetzt fahren die Chilenen nach Hause. Diese sympathischen Rabauken, die sich in den richtigen Momenten ein Herz gefasst haben und so bis ins Achtelfinale der Fußball-WM gekommen sind. Sie sind letztendlich an einer der besten Abwehrriegel inkl. besten Torwart der Welt gescheitert. Kann man machen, ist aber trotzdem traurig.

Ich hoffe jetzt auf die Holländer. Diesmal muss es klappen. Sonst komm ich am Samstag nicht auf meine eigene Party. So!

 

 

(Foto vom Foto von Brendio / flickr.com)

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Die Fußball-WM 2010 im Huckbook / Tag 17

Und dann saßen wir da. Wie vom Donner gerührt. Wembleysituation, nur zweimal gebraten. Vor dem Spiel hörte ich immer nur Gerrard, Lampard, Rooney, Gerrard, Lampard, Rooney, Gerrard, Lampard, Rooney, Gerrard, Lampard, Rooney. Als gäbe nur die drei. Und dann semmelte Frank Lampard in der 40. Minute das Ding (Fußball) an die Latte und der Ball landete einen halben Meter hinter der Linie auf dem jenseitigen Rasenabschnitt, wovon er springend abermals die Latte berührte und dann aus dem Tor hüpfte. Es konnte jeder sehen, nicht erst in der Zeitlupe, aber dann passierte das ungeheuerliche, der Schiedrichter entschied auf… ach was erzähl ich, Sie waren ja alle dabei. Es war furchtbar. Es bedeutet für uns schlicht und ergreifend: 44 Jahre Gutsmenschendasein aufgrund der Anerkennung eines Tores für die Engländer, das keines war, waren nun dahin. Die Engländer waren wieder wer.

 

Die Strickbloggerin, der Ahnungslose, der Bayernfan, der Pfeifenmann und das Reh… alle saßen da und es war nur schwer so etwas wie Freude über die geschossenen Tore zu vernehmen. Nur der Eintrachtfan erklärte unablässig, wie das nun sei mit den Tatsachenentscheidungen und dass das den Fußball an sich ausmachen würde und Manuel Neuer sei kein Charakterschwein, weil er die Tatsache, dass der Ball 20km hinter der Linie gelandet sei, nicht dem Schiedsrichter (Telefon!) gemeldet habe und dass der Fluch von Wembley vielleicht ja auch nun von den Engländern abgefallen wäre und dass das ja im Grunde auch ganz gut sei, denn so könne es doch auch nicht weiter gehen, mit all dem Hass und der Sprache des Kriegs in den Gazetten. „Und jetzt mal ganz ernst!“ fügte er ganz ernst hinzu: „Ich hab noch nie eine deutsche Mannschaft so gut spielen sehen, wie die hier jetzt. Die führen die Engländer ja geradezu vor und das sind gestandene Männer, die in Spitzenclubs spielen. Das ist absolut verdient und jetzt hört auf zu heulen, ihr Sozialdemokraten!“

 

Er hatte ja vielleicht recht, aber man wird diesen tollen Sieg (ach Sieg, dieses Wort…) unter der Kategorie „Naja, man weiß ja nicht wie es ausgegangen wäre, wenn der Ausgleich gefallen wäre“ verzeichnen. Nun ist ja der Ausgleich auch tatsächlich gefallen, nur leider hinten runter und so machten die Engländer und der Italiener am Spielfeldrand lange Gesichter. Eine fast slapstickeske Kameraaufnahme von Fabio Capello machte die Sekunden zwischen : ) und : ( extrem drastisch und durchaus zur Erheiterung beitragend deutlich.

 

Mir wäre lieber gewesen das ganze hätte irgendwann im Finale oder so stattgefunden. Dass die Engländer so früh ausgeschieden sind, finde ich extrem schade. Aber sie haben auch keine weitere Spielminute des Dabeiseins verdient. Man kann diese Art und Weise, wie sie auf dem Rasen gestanden haben noch nicht mal als pomadig bezeichnen. Es war schlichtweg kein Versuch zu erkennen, die Spielfreude der deutschen Knaben auch nur marginal einzudämmen. Ich als inzwischen Topunsportler müsste natürlich sofort meinen Mund halten, aber auch ich bin vor vielen Jahren einmal in die Sportlichkeit abgedriftet. Im Schwimmclub war ich gar nicht so schlecht und beim Basketball mit garantiert echten amerikanischen Negern im örtlichen Kallebad standen wir schon morgens um 8 Uhr bereit mit unserer Mannschaft aus 1,70 kleinen, wahlweise mit Sonnenmilch und Schweiß verschmierten Fußballvereinsmitgliedern und mir (1,97m), dem Baum unter dem Korb und Garant für 30-40 Punkte in einem Spiel voller Stolpereien und Schrittfehlern, das war schon großes Tennis. Und dann hatte ich auch irgendwann, es muss so 1985/86 gewesen sein, das Gefühl, ich müsste am Frankfurter Marathon teilnehmen. Und so kaufte ich mir das Trainingsbuch eines gewissen Jeff Galloway, stand morgens um 5 Uhr auf und lief vor der Schule einige Kilometer und nach der Schule und abends und am Wochenende und überhaupt: immer. Man kann sich das kaum vorstellen, wenn man mich heutzutage so kennt, aber es ist die pure Tatsächlichkeit. Ich weiß aus dieser Zeit, dass man sehr wohl im Moment des größten Schmerzes und der glasklaren Erschöpfung Bäume ausreißen kann, wenn man einen Willen dazu definieren kann. Das sah ich aber bei keiner der inzwischen abwesenden Mannschaften und das ist die Krux. Als ich übrigens mit meinem Bemühungen, eine Teilnahme am Marathonlauf durch entsprechende Fitness gerecht zu werden, große Fortschritte gemacht hatte, wurde der Marathonlauf 1986 abgesagt, weil sich ein Sponsor zurückzog (oder so). Enttäuscht erwarb ich mir beim HL ein Sixpack Bier, trank es aus und hängte die Sportschuhe an den Nagel, wo sie immer noch hängen.

 

Und wo war ich stehen geblieben? Ach ja, diese Fußball WM. Ich habe mich also gestern doch noch gefreut, da ich mich aber eher immer in mich hineinfreue, konnte man das nicht so richtig erkennen. Leider gewannen anschließend die Argentinier dann gegen die armen Mexikaner (Schiedsrichter, Telefon!) und nun wird also auf der nächsten DUWEISSTSCHON13000 statt einer Lesung (gähn!) ein Viertelfinale mit deutscher Beteiligung im Rahmen der diesjährigen Fußball WM für alle gut sichtbar auf einer großen Leinwand übertragen (juhuu!). Ich hoffe ich darf das so sagen. Man weiß ja nie.

 

(Foto vom Foto von J. Alberto Carrasco / flickr.com)